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Können belastete Fertighäuser verkauft werden? Unterschiede zu massiven Häusern

Sind Fertighäuser billiger als Massivhäuser und wo sind die Unterschiede. Kann ich ein Fertighaus mit Schadstoffen verkaufen. Wo erhalte ich Vergleichspreise. Praktische Fragen für Käufer und Verkäufer aus der täglichen Praxis.

Mein Video über Fertighäuser für alle, die lieber zuschauen

https://youtu.be/SJ00dOB6lkw
Hier unser ausführliches Video zum Thema Fertighäuser. Aus Sicht von uns Gutachtern und aus Sicht eines Maklers aus Rheinbach.

Wie unterscheiden sich Fertighäuser von massiven Gebäuden?

Erst oberhalb des Kellers gibt es Unterschiede für Massivhäuser und Fertighäuser. Der Keller ist bei beiden identisch. Er wird durch freie Bauunternehmen errichtet und nicht durch die Fertighausfirma. Diese “stellt” das fertige Gebäude auf die Bodenplatte.

Bei einem Abriss des Fertighauses kann der Keller meist weiterverwendet werden. So spart man Baukosten. Er ist üblicherweise auch nicht belastet.

1) Unterschiedliche Baumaterialien bei Fertighäusern

Die meisten Fertighäuser werden in Holzständerbauweise errichtet. Das ist vergleichbar mit einem Fachwerkhaus. Es besteht aus einem Holzskelett, bei dem die Zwischenräume (Gefache) mit Dämmung gefüllt sind. Auf die Innenseite und Aussenseite werden Platten aufgebracht. Auf diese Platten wird auf der Aussenseite die Fassade angebracht. Auf der Innenseite werden die Platten tapeziert. Diese Ständerkonstruktion wird auf gleiche Weise in den Innenwänden und Aussenwänden verbaut.

Die Geschossdecken sind aus Holz, bei Massivhäusern sind die Zwischendecken meistens massiv aus Stahlbeton. Des Weiteren gibt es Unterschiede im Trittschall, da eine Holzdecke mehr Schall überträgt.

2) Haben Fertighäuser geringere Herstellungskosten?

Die Herstellungskosten von Fertighäusern unterscheiden sich heutzutage nicht von massiv gebauten Häusern. Aus diesem Grund kann ein Ersterwerber Preisvorteile nicht mehr erwarten. Dies ist aber auch in der besseren Qualität moderner Fertighäuser begründet. Früher wurden Fertighäuser billiger gebaut, um möglichst vielen Familien einen günstigen Einstieg zu ermöglichen. Diese Zeiten sind vorbei.

3) Fertighäuser sind günstiger im Wiederverkauf

Die Wiederverkaufswerte von Fertighäusern sind deutlich geringer als von massiven Häusern. Warum das so ist? Es werden immer noch massive Gebäude bevorzugt. In schlechteren Marktlagen – also nicht zur Zeit- liegen die Verkaufspreise von gebrauchten Fertighäusern deutlich unter denen von Massivhäusern. Zurzeit gleichen sich die Unterschiede immer mehr an, weil es kein Kaufangebot am Markt gibt und die Käufer zähneknirschend Fertighäuser erwerben.

Die weißen Platten an der Fassade sind mit Asbest belastet.

Die Differenz bei älteren Fertighäusern aus den 60er bis 80er Jahren ist deutlich höher. Dies hat mit der Schadstoffproblematik zu tun. Dazu mehr in den nächsten Absätzen. Neuere Fertighäuser sind deutlich beliebter und haben geringere Abweichungen nach unten. Grundsätzlich kann man Fertighäuser ab den 90er Jahren als ausgereift ansehen.

Aus meiner Erfahrung liegt der Verkaufspreis eines Fertighauses nicht über dem eines vergleichbaren Massivhauses.

Das sind die Probleme von älteren Fertighäusern

  • Die Raumluft ist meistens durch Schadstoffe belastet. Dies geschieht durch die damals verwendeten Imprägnierungen der Hölzer und Spanplatten. Welche Schadstoffe vorliegen, unterscheidet sich von Hersteller zu Bautyp. Die am häufigsten genannten sind Formaldehyd und Chloranisole. Nur ein Raumluftgutachten kann Gewissheit geben.
  • Asbest in den Fassadenplatten (die typischen weißen Fassadenplatten). Solange die Platten nicht beschädigt oder angebohrt werden, geht hiervon nur eine geringe Gefahr aus.
  • Eingeschränkte Haltbarkeit. Die Fassade ist aus Holzspanplatten und die Tragekonstruktion aus Holz errichtet. Holz ist sehr anfällig für Feuchtigkeitsschäden.
  • Die Fassadenkonstruktion mit den vorgesetzten Spanplatten altert frühzeitig und kann auch unentdeckte Mängel verbergen.
  • Die Dämmung in den Außenwänden kann je nach Hersteller absacken. Dann findet man im oberen Bereich der Wand keine Dämmung mehr. Dies ist nur über ein Wärmebild sichtbar.
  • Geringere Finanzierung durch Banken wenn Schadstoffe festgestellt werden. Viele Banken verlangen heute als Grundlage für eine Finanzierungszusage die Vorlage eines Schadstoffgutachtens.
Messung von Schadstoffen in der Raumluft in einem Fertighaus

Wie verwerte ich ältere Fertighäuser?

Derzeit ist die Nachfrage von Käufern sehr groß. Einen Vorteil haben ältere Fertighäuser: sie liegen meist in den besten Lagen und damals waren die Grundstücke auch noch größer. Derzeit stellen wir Immobiliengutachter fest, dass viele Fertighäuser nur wegen ihrer Grundstücke gekauft werden. Direkt nach dem Erwerb werden sie abgerissen. Der Keller kann stehen bleiben und danach werden die Grundstücke neu bebaut.

Dies lohnt sich aber nur bei älteren und belasteten Fertighäusern. Ansonsten ist das Verhältnis Kaufpreis des alten Gebäudes zu Bodenwert zu ungünstig.

So vermeide ich den Schadensersatzanspruch beim Verkauf

Mein Tipp als Sachverständige: auf jeden Fall den Käufer im Kaufvertrag darauf hinweisen, wenn eine Schadstoffbelastung bekannt ist. Und sicherheitshalber auch erwähnen, dass es sich um ein Fertighaus handelt. Wenn ein Schadstoffgutachten eine Belastung ausweist muss der Verkäufer den Käufer darauf hinweisen. Selbst dann wenn es durch einen Käufer beauftragt wurde, der nicht gekauft hat. Ansonsten macht er sich schadensersatzpflichtig. Hierzu gibt es sogar Gerichtsurteile.

In den hier sichtbaren Hölzern im Dachboden wurden Schadstoffe gemessen.

Haben Fertighäuser eine kürzere Lebensdauer?

Die Nutzungsdauern von Fertighäusern sind kürzer als bei Massivhäusern. Darunter versteht man aber nicht die bauliche Dauer, also wie lange ein Gebäude steht, sondern die wirtschaftliche Nutzungsdauer. Auch von den Gutachterausschüssen wird die bei der Auswertung der Verkäufe festgestellt.

Im Rhein-Sieg-Kreis gelten folgende Nutzungsdauern für Fertighäuser:

  • Massive Gebäude: 60 – 80 Jahre (je nach Qualität der Ausstattung)
  • Fertighäuser: 60 Jahre

Wo kann ich mir Verkaufspreise (Vergleichspreise) für Fertighäuser besorgen?

Da relativ wenige Fertighäuser im Verhältnis verkauft werden, fehlen den Gutachterausschüssen oft einfach die Marktdaten. Dann liegen auch keine besonderen Nutzungsdauern oder Marktanpassungsfaktoren vor.

Wir öffentlich bestellten Sachverständige können uns Auszüge aus der Kaufpreissammlung geben lassen. Diese liegen beim Gutachterausschuss. Dort wird speziell nach Fertighäusern selektiert. Einem normalen Kaufinteressenten stehen diese Informationen leider nicht zur Verfügung.

Auch die Immobilienportale weisen leider keine besonderen Vergleichswerte für Fertighäuser aus. Somit steht eine Privatperson ohne eigene Informationsquellen da.

Wie berücksichtigen Immobiliensachverständige, dass es sich um ein Fertighaus handelt

Geringere Baukosten bei Fertighäusern

Wenn es keine Marktdaten des Gutachterausschusses gibt, kann man sorglos geringere Baukosten ansetzen. Von der Firma Sprengnetter, die Bewertungsliteratur für Sachverständige veröffentlicht, werden folgende Anpassungsfaktoren genannt:

  • Fertighäuser in Tafel- (bzw. Rahmenbauweise) vor 1990: Faktor 0,80
  • Fertighäuser in Tafel- (bzw. Rahmenbauweise) nach 1990: Faktor 0,90
  • Fertighäuser in massiver Bauweise vor 1990: Faktor 0,84
  • Fertighäuser in massiver Bauweise nach 1990: Faktor 0,92

Quelle: Loseblattsammlung von Sprengnetter, Marktdaten und Praxishilfen, 103. Ergänzung, Seite 3.01.1/1/5

Aber Achtung für uns Sachverständige: Wenn es eine Auswertung des Gutachterausschusses gibt, immer im Bewertungsmodell bleiben. Nicht einfach die Daten von verschiedensten Quellen heran ziehen.

Geringere Nutzungsdauern von Fertighäusern

Es werden nur 60 Jahre anstatt 80 – 100 Jahre angesetzt. Hierdurch altert das Gebäude schneller. Die Alterswertminderung erhöht sich und folglich sinkt der Wert.

Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse für Fertighäuser nutzen

Nicht jeder Gutachterausschuss kann diese Information im Grundstücksmarktbericht liefern. Manchmal fehlen einfach die Vergleichsdaten.

Hier ein Auszug aus dem Grundstücksmarktbericht 2019 im Rhein-Sieg-Kreis. Man sieht, das Gebäude wird zweimal gemindert: einmal durch die kürzere Nutzungsdauer (60 Jahre) und damit höhere Alterswertminderung. Und zweitens durch höhere Marktanpassungsfaktoren.

Auszug aus dem Grundstücksmarktbericht 2019 des Gutachterausschusses des Rhein-Sieg-Kreises, S. 102

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Informationen, die man nicht im Grundbuch findet

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